Bahnhof Ermengerst

Puuuh, ist das eng hier. Warum dürfen wir denn nicht nach draußen auf die Plattform?

Fürchten Sie einen Überfall?

Da haben Sie recht! Dort drüben wird Vieh verladen, fahren also auch Güterzüge auf dieser Strecke?

Beeindruckend! Und ich dachte, hier sei nichts los…

Wenn der Zug in der Kurve vor Ermengerst stehen blieb und pfiff, scherzten die Leute: „Do stoht meh’ der Goggelar vom Kurve-Rietzler auf‘m Gleis.“

„Statt einer direkten Verbindung von Ahegg nach Buchenberg musste die Ermengerster Schleife angelegt werden. Die Steigung durfte nicht zu steil sein, denn diese Bahnstrecke sollte auch für die Befahrung mit Kanonenzügen geeignet sein. Solche Züge mit Eisenbahngeschützen waren mit großkalibrigen Artilleriekanonen für große Reichweiten bestückt und dienten im 1. Weltkrieg der Zerstörung von Festungsanlagen und Bunkern.“

Hier ist die „Ermengerster Schleife“ gut zu überblicken. Der Zug fuhr, vom Herrenwieser Weiher kommend, in einer engen Kurve durch Ermengerst Richtung Buchenberg. Die Steigung war in jede Richtung eine große Herausforderung.

Ein Modell der Ermengerster Schleife ist im Wiggensbacher Heimatmuseum zu sehen!

Der Ermengerster Bahnhof war Vieh- und Warenumschlagplatz sowie wichtig im Personenverkehr für Wiggensbach und die umliegenden Gemeinden.

Von 1909 bis Ende der 1950er Jahre verkehrten auf der Strecke zwischen Kempten und Isny Dampflokomotiven verschiedener Baureihen, beispielsweise 98 und 91, später 86 und 64. Ab Anfang der 1960er Jahre kamen Dieselloks zum Einsatz wie der legendäre Uerdinger Schienenbus, schließlich bis zum Ende des Bahnbetriebs die Dieseltriebwagen der Baureihen 627 und 628. Bis Mitte der 1950er Jahre gab es 3.-Klasse-Züge, anschließend nur 2. Klasse.

Eine Dampflok der Baureihe 98 auf der Strecke.

Zwei Güterzugloks der Baureihe 86 ziehen den schweren Zug in Richtung Ermengerst.

Vorbeifahrt eines Zuges mit Diesellok DB V 90.

Der Schienenbus VT 98 als „Retter der Nebenstrecken“ am Bahnhof Steufzgen.

Viehscheid

Die Wiggensbacher und Ermengerster Bauern sömmerten ihr Vieh hoch über dem Konstanzer Tal auf der Micheles- und auf der Hirnbeinalpe. Dorthin zu gelangen war nicht ganz einfach: Am verabredeten Tag im Frühsommer versammelten sich die Bauern, deren schulpflichtige Kinder und die für die Älpung bestimmten Rinder, in der Regel waren dies Schumpen, am Bahnhof in Ermengerst, verluden das Vieh in die Viehwaggons und ließen sich zum Bahnhof Sibratshofen bringen. Dort Ausstieg von Menschen und Tieren. Ab hier gings nun zu Fuß über die Dörfer Sibratshofen, Missen, Wiederhofen zur Thalhofer Höhe. Beiderseits dieses Höhenzuges lag nun das Ziel: die Micheles- und die Hirnbeinalpe. – Im Herbst dann ging’s auf gleichem Weg zurück. Wie zufrieden waren doch alle, als sowohl Auf- als auch Abtrieb vorüber waren.

„Zu Zeiten der Dampflokomotiven war es ratsam, vor dem Aufhängen der Wäsche im Freien einen Blick auf den Zugfahrplan zu werfen, anderenfalls war die Wäsche schwarz vom Ruß der Loks.
Besonders schlimm war es werktags gegen 11 Uhr, wenn schwer beladene Güterzüge, die von zwei 86er Loks gezogen wurden, von Kempten aus Richtung Ermengerst den Berg hinauf schnauften.“

Im Winter war Teamwork gefragt:
Um die Strecke auszugraben mussten alle verfügbaren Kräfte mobilisiert werden.

Bahnreisen im Winter hat seine Tücken

„Gegen Ende der 1930er Jahre wurde Bier der Brauerei „Stadt Hamburg“ von Kempten bis Buchenberg geliefert. Als das Fuhrwerk im Schnee stecken blieb, lud man die Bierfässer in Ermengerst kurzerhand auf den Zug und transportierte sie dann mit Hörnerschlitten vom Bahnhof zu den Wirtshäusern.“

„Wiederholt blieb der Zug wegen der Schneemassen bei der „Villa“ (Haus Sontheim) stecken. Das Stück vom Ermengerster Bahnhof bis zur „Villa“ glich einem Hohlweg, in dem sich besonders viel Schnee ansammelte. Dann wurden die größeren Schüler, wenn sie von Kempten kamen, immer wieder zum Schnee schaufeln dorthin beordert, um diesen Streckenteil wieder befahrbar zu machen.“

„Opa Zwing war über vierzig Jahre Mesner in Ermengerst. Nach heftigen Schneefällen wollte der Rechtiser Pfarrer von Kempten zurück nach Hellengerst fahren. Doch er kam nur bis Ermengerst. Das Zügle blieb bei der „Villa“ hoffnungslos im Schnee stecken. An ein Weiterkommen war nicht zu denken, obwohl die Männer versuchten, mit Schaufeln den Zug frei zu bekommen. So wurden die Fahrgäste evakuiert. Da der Mesner Zwing den Herrn Pfarrer kannte, nahm er diesen mit zu sich nach Hause, und so verbrachte Hochwürden zwei Nächte im Hause Zwing, eben bis der Zug weiter fahren konnte.“

aus dem Buch „Das Isnyer Bähnle“ –
eine Chronologie von Erhard Ott

Gute alte Zeit

„Angeblich zogen die Burschen aus Ermengerst einen Gerätewagen am langen Seil auf den Bahnschienen von Ermengerst bis nach Buchenberg, um nach dem Tanz im „Schwarzen Bock“, wenn kein Zug mehr fuhr, mit ihrem Schienenfahrzeug bergab nach Hause zu brausen. Manchmal, wenn das Bremsmanöver in Ermengerst misslungen war, endete die wilde Fahrt am Herrenwieser Weiher. Das Gefährt musste dann anderthalb Kilometer zurückgezogen werden, um es wieder heimlich auf das Abstellgleis des Bahnhofs Ermengerst zu bringen.“

Brotzeit

„Da der Zug in Ermengerst auf den Gegenzug warten musste, nutzten die Eisenbahner den Aufenthalt, um sich in der nahegelegenen Metzgerei eine Brotzeit zu kaufen. Meist waren dies Würstchen, die dann auf dem „Bollerofen“ des Gepäckwagens aufgewärmt wurden.“

Nicht alle waren glücklich über den Bau der Bahnstrecke

„Ein Ermengerster Landwirt, dessen Grundstücke durch den Bahnbau entzwei geschnitten worden waren, war darüber so verärgert, dass er sein Anwesen verkaufte und die Fuchswirtschaft in Kempten erwarb.“

Weichensteller

Da die Strecke eingleisig war, fanden an den Bahnhöfen Ermengerst, Kürnach und Buchenberg Zugkreuzungen statt. Der Bahnhofswärter musste hierfür Weichen stellen.
In den letzten Betriebsjahren waren kleine Bahnhöfe unbesetzt und der Zugführer des jeweils zuerst eintreffenden Zuges war für die richtige Stellung der Weichen verantwortlich.